Von Einreiseschwierigkeiten bis zur französischen Telefonzelle
Marsbergs ehemaliger Bürgermeister Alfons Scholle erinnert sich
Marsberg / Beringhausen. Kleine Interviews, Geschichten, Emotionen, skurrile Vorfälle und Anekdoten von Jubiläen, Besuchen der Bürgerinnen und Bürger, Schüleraustauschen und Vereinstreffen der Marsberger und Lillerois werden in der Zeitungsserie der Deutsch-Französischen Gesprächsrunde Marsberg (DFG Marsberg) auf dem Weg zur Goldenen Hochzeit der beiden Städte bis zum Jubiläum an Pfingsten 2017 präsentiert. Der Sauerlandkurier durchleuchtet und stellt alle zwei Wochen diese besonderen Eindrücke der 50 Jahre bestehenden Städtepartnerschaft vor.
Heute erinnert sich der inzwischen 79 jährige Beringhäuser Alfons Scholle, der innerhalb von zwei Amtsperioden in den 1970er und 1980er Jahren ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Marsberg war und somit innerhalb von zwei Jahrzehnten das Städtebündnis mitgeprägt hat. Viele tolle Erinnerungen daran sind bei ihm bis heute im Gedächtnis geblieben. Innerhalb eines Interviews gibt er einen kleinen Einblick.
- Andreas Karl Böttcher (DFG Marsberg – Ansprechpartner Öffentlichkeitsarbeit „50 Jahre – Marsberg-Lillers“) -
Herr Scholle, ab wann und wie haben Sie sich aktiv in die Städtepartnerschaft von Marsberg und Lillers eingebracht?
In den Jahren von 1979 bis 1989 war ich ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Marsberg. Selbstverständlich habe ich auch schon vorher aktiv den Partnerschaftsgedanken und die Bemühungen und Aktionen von Marsbergern und Lillerois verfolgt. Aber zu meinem Amtsantritt 1979 war es eine Selbstverständlichkeit, dass eines meiner ersten Amtshandlungen ein Besuch in Lillers war. Ab diesem Zeitpunkt war ich praktisch jährlich mit vielen Marsbergern – mit beispielsweise Musikern, Fußballern, Turnern, Schülern oder weiteren Privatpersonen – in unserer Partnerstadt. Auch nach meiner Bürgermeisterzeit war ich dabei und es bestehen Kontakte nach Nordfrankreich bis heute.
Wie waren Ihre ersten Eindrücke?
Gab es Verständigungsprobleme?
Was haben Sie innerhalb Ihrer Amtszeit angestoßen?
Frankreich und Lillers sind tolle Gastgeber. Gastfreundschaft wird regelrecht großgeschrieben. Sicherlich gab es aufgrund der Weltkriegsgeschehnisse auf beiden Seiten anfangs Vorbehalte. Diese waren aber meist schnell verflogen. Wir haben auf französischer Seite viele Freunde gefunden. Ich erinnere mich an einen Lillerois, der partout mit uns „Deutschen“ nichts zu tun haben wollte und sehr distanziert uns in Lillers entgegen getreten ist und niemals Deutschland besuchen wollte. Nach einigen Gesprächen taute er auf. Später war er total begeistert und sagte: „Jetzt sind wir ab sofort wahre Freunde!“. Er besuchte uns fortan regelmäßig. So etwas bleibt ewig im Gedächtnis.
Klar gab es auch bei mir Verständigungs- und Sprachprobleme. Aber wo ein Wille da ist auch ein Weg. Da ich kein Französisch spreche, haben wir uns in den Gastfamilien immer mit „Händen und Füßen“ unterhalten. Alfons Scholle lachend: Als guter Gast war ich manchmal auch etwas übereifrig. Bei meinem ersten Besuch im Schlosshotel kannte ich noch nicht die französischen Gepflogenheiten. Verschiedene Essensgänge wurden serviert. Ich wollte auf keinen Fall einen schlechten Eindruck hinterlassen und aß alle servierten Portionen ratzekahl auf. Bis mich meine Amtskollegen Lucien Andriès (Bürgermeister) und Jean-Claude Cazalot (stv. Bürgermeister und Vorsitzender des Komitees) aufmerksam machten und einen „gewölbten Bauch“ aufzeigten. Ich wusste damals nicht, dass es bei den über Stunden andauernden Essen zur französischen Mentalität gehörte, die jeweiligen Portionen nur zu probieren und nicht vollständig aufzuessen. Die französischen Bürgermeister hatten ernsthafte Sorgen um mein Gewicht auf Dauer.
Nach dem ca. Mitte der 1970er Jahre die Partnerschaft einen „kleinen Abschwung“ erlitten hatte und man Bestrebungen von Marsberger Seite hatte, eine Partnerschaft mit dem belgischen Worringen aufzubauen, galt es für mich die Freundschaft mit Lillers zu festigen und verschiedenste Gruppen zu animieren, mitzumachen. Auch aus meinem Heimatort Beringhausen waren Vereine – wie z. B. die „Alte Herren Mannschaft“ bereit, sich zu beteiligen oder Privatpersonen boten Unterkünfte für die Lillerois an. Die SG Hoppecketal war besonders kreativ. Von französischer Seite hatten sich Bogenschützen angesagt. In Marsberg fanden wir aber keinen Partnerverein hierzu. Kurzerhand haben unsere Sportler der SG sich als Bogenschützen versucht. (Alfons Scholle grinst)
Gab es weitere interessante Aktionen oder Anekdoten, an die Sie Sich erinnern?
Eine der spektakulärsten Aktionen war der Transport und der Austausch der Telefonzellen. Mit dem städtischen Bulli haben Karl-Josef Gerlach (stv. Marsberger Bürgermeister), mein Schwager Johannes Wagener und ich eine deutsche Telefonzelle innerhalb einer fast zwölf Stunden Fahrt nach Lillers gebracht. Sie steht dort bis heute auf dem Rathausvorplatz. Gleichzeitig haben wir eine französische Telefonzelle erhalten und auf dem Rückweg mit nach Marsberg genommen. Nach dem sie von Francs auf DM umgemodelt war, wurde sie auf dem Sparkassenvorplatz in Marsberg aufgestellt und von der Deutschen Post angeschlossen.
Ich habe aber auch noch einen Austausch mit Schülern und Turnern in besonderer Erinnerung. Vor der Abfahrt hatte ich immer wieder allen gepredigt, dass sie gültige Ausweispapiere benötigen würden. Auch während der Fahrt mit dem PKW der Stadt fragte ich jeden Einzelnen nochmals. Dann an der Grenze das Malheur. Alle hatten gültige Pässe, nur ich der Bürgermeister hatte voll ins Fettnäpfchen getreten. Mein Pass war abgelaufen. Nach einem längeren Grenzstopp und etlichen Telefonaten mit dem Marsberger Rathaus bekam ich ein Ersatzdokument und wir konnten endlich einreisen. Gut, dass wir nur drei Tage nach Lillers wollten. Länger war der Ersatzausweis auch nicht gültig…
Eine Geschichte habe ich noch… Bei den Jubiläen und Treffen gab es auch immer festliche Umzüge unter Beteiligung aller Gruppen, Einheimischer und Gäste. Auch der Marsberger Musikverein war mit von der Partie. Die Truppe um Erich Tack war bester Stimmung. Ich hatte aufgrund der Weltkriegsgeschehnisse darum gebeten, da ich nicht wusste wie es ankommen würde, auf deutsche Märsche zu verzichten. Ich stehe mit meinen Rats- und Amtskollegen von Lillers auf der Ehrentribüne. Dann kamen unsere Marsberger am Ende des Umzuges. Was machten sie? Sie spielten voller Inbrunst „Preußens Gloria“. Mir wurde leicht schwindelig bei einem Moment der Stille an der Ehrentribüne. Nach dem aber mein Amtskollege aus Lillers, der der kommunistischen Partei angehörte, anfing zu klatschen, haben unsere Marsberger Musiker von allen Seiten tosenden Beifall geerntet. Nach dem mir zwischenzeitlich das Herz in die Hose gerutscht war, fiel mir da ein Stein vom Herz.
Ein Schlusswort:
Abschließend möchte ich alle motivieren, sich an der Freundschaft mit Lillers, die an Personen hängt, zu beteiligen. So etwas Tolles in einem vereinten Europa darf nicht einschlafen und muss aufrecht erhalten bleiben. Über viele neue Aktive und neue Freunde dieser Partnerschaft in den nächsten 50 Jahren würde ich mich sehr freuen.
Fotos im Anhang:
01 Vor dem Rathaus in Lillers in den 1980er Jahren – In der vorderen Reihe v. r. Else Scholle, Lillers Bürgermeister Lucien Andriès mit Frau Danielle, Marsbergs Bürgermeister Alfons Scholle und Lillers stv. Bürgermeisterin. Foto: Karl-Heinz Berger
02 Sitzung der DFG Marsberg um 1980 – v. r. Karl-Heinz Berger, Willi Ising (ehem. Bürgermeister Marsbergs), Alfons Scholle (Bürgermeister Marsberg) und Helmut Schmitz. Foto: Karl-Heinz Berger
03 Treffen der DFG Marsberg in den 1980er Jahren – v. l. Paula und Franz Koch sowie Alfons Scholle (Bürgermeister Marsberg). Foto: Karl-Heinz Berger
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